Donnerstag, 5. März 2015

Kriegsausbruch ... eine Vision (Text: Erich Weinert, 1929) - Christoph Holzhöfer

Kriegsausbruch
Eine Vision

Alexanderplatz. Windige Nacht. Halb vier.
Ein Schupo schlendert durch sein Revier.
"Na Kleiner, wie is denn!" - "Laß mich in Ruh!"
Die letzte Kneipe macht zu.

Ein Kutscher kommt aus dem Kaffeekeller.
In den Wolken singt ein Propeller,
Ganz leise, in weiter Ferne.
Ein Kutscher guckt in die Sterne.

"Herr Wachtmeister, det sind doch mehr!"
"I wo, das ist unser Luftverkehr!"
"Ick kenn doch det Jeräusch aus Flandern!"
"Sie haben recht. Jetzt hör´ ich die andern."

Ein Schupo lauscht. Das Surren nimmt zu.
Ein Mann bleibt stehen und sagt:"Nanu!
Was ist denn? Das werden ja immer mehr!"
"Herr Wachtmeister, hörnse? Maschinengewehr!"

Plötzlich ein Pfeifen, ein Knall, ein Krach.
Feuerschein überm Bahnhofsdach.
Aus dem Präsidium brüllt ein Mann:
"Der Krieg fängt an! Der Krieg fängt an!"

Schon werden die Fenster aufgerissen.
Die Leute schreien. Sie wollen was wissen.
"Was ist passiert?" Sirenenpfiff!
"Stettiner Bahnhof brennt! Gasangriff!"

Unheimliches Heulen, Donnern und Flammen,
Aus allen Straßen rennt es zusammen.
Ganz dicht überm Platz brüllt ein Propeller.
"Schnell in die Untergrund, in die Keller!"

Überall flammen die Explosionen.
Dazwischen donnern die Abwehrkanonen.
Aus seinem Wagen kreischt ein Chauffeur:
"Von den Linden kommt eine Wolke her!"

Die wimmelnden Menschen schreien und jammern.
Jeder will sich ans Auto klammern.
Sie treten sich tot. Entsetzliche Schreie.
"Fahren! Rennen! Ins Freie - ins Freie!"

Am Königstor schlägt eine Bombe ein.
Sie brüllen:" Nicht nach dem Friedrichshain!"
Über den Platz schreit ein Feuerwehrmann:
"Von der Königstraße kommt Gas heran!"

Sie wissen nicht mehr, wohin sie laufen.
Tausende rennen sich übern Haufen.
Die Wolke kommt, Tausende sinken um,
Wohin sie greift, da wird alles stumm.

Um Viertel nach viere ist tiefe Ruh.
Der graue Schwaden deckt alles zu.
Der Krieg fängt an! Der Krieg ist da!
Warum schreit denn kein Mensch hurra?

Erich Weinert, 1929

http://youtu.be/HRgDjXM_DAY

Der Große Flicklappen (Text: Erich Weinert, 1932) - Christoph Holzhöfer

Der Große Flicklappen

Das Reich subventioniert den Großkapitalisten Flick mit 100 Millionen Mark

http://de.wikipedia.org/wiki/Gelsenberg-Aff%C3%A4re

Ein aufgeblasener Kapitalist
Ist so auf Macht und Geld versessen
Dass er im Umkreis alle Aktien frisst
Doch wie 's im Leben manchmal ist
Hier hat sich einer gründlich überfressen

Und das kam so: Sein Herz begehrte
Ein Stahlwerk, das ihm nicht gehörte
Doch diesen Brocken zu erraffen
Muss er die Aktienmehrheit sich verschaffen

Doch da er so viel Geld in bar
Nicht flüssig hat im Kassenschrank
So pumpt er sich 's bei einer Auslandsbank
Und frisst den Stahlkonzern mit Haut und Haar

Der Fraß ist ihm nicht gut bekommen
Er hat sich etwas übernommen
Die Aktien fallen wie die faulen Pflaumen
Und er sitzt da mit trocknem Gaumen

Die eine Pleite reisst die andre mit
Der Auslandsgläubiger kündigt den Kredit
Und ist schon mächtig drauf versessen
Nun den Konzern auch seinerseits zu fressen

Ein deutscher Unternehmer wird nicht bange
Er schreit: Regierung ! Hilfe ! Feind im Land !
Die deutsche Industrie in fremder Hand !
Es geht um Nationalbelange !

Der Schrei hat seine Wirkung nicht verfehlt
Das Reich, von deuschem Gottvertrauen
Und Wohlfahrtsgeist beseelt
Erlöst ihn aus den welschen Klauen
Es macht die Rechnung wieder glatt
Und schenkt dem Mann, was er verpulvert hat
Um nun auch das noch auf den Kopf zu hauen

Der ist versorgt, der kann sich freuen
Jedoch: Wie kommt das Reich zu soviel Geld
Das hat doch für die Arbeitsscheuen
Die Unterstützung abgestellt
Das hört nun auf mit der Verschwendung
Für Wohlfahrts- und für Rentenschinder
Und überflüssige Arbeitslosenkinder
Das Reich hat dafür bessere Verwendung

Und meinst du, das sei ungerecht, Prolet
So sage das nicht offen auf der Straße
Bescheide dich bei deinem magern Fraße
Wer dieser heiligen Ordnung widersteht
Verfängt sich in der Notverordnungsschlinge
Halt 's Maul und karre Sand fürs Vaterland
Das ist, wie Herr von Papen es genannt
Die gottgewollte Regelung der Dinge

Erich Weinert, 1932

http://youtu.be/IdKtvpv2Gyg

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