Kriegsausbruch ... eine Vision (Text: Erich Weinert, 1929) - Christoph Holzhöfer
Kriegsausbruch
Eine Vision
Alexanderplatz. Windige Nacht. Halb vier.
Ein Schupo schlendert durch sein Revier.
"Na Kleiner, wie is denn!" - "Laß mich in Ruh!"
Die letzte Kneipe macht zu.
Ein Kutscher kommt aus dem Kaffeekeller.
In den Wolken singt ein Propeller,
Ganz leise, in weiter Ferne.
Ein Kutscher guckt in die Sterne.
"Herr Wachtmeister, det sind doch mehr!"
"I wo, das ist unser Luftverkehr!"
"Ick kenn doch det Jeräusch aus Flandern!"
"Sie haben recht. Jetzt hör´ ich die andern."
Ein Schupo lauscht. Das Surren nimmt zu.
Ein Mann bleibt stehen und sagt:"Nanu!
Was ist denn? Das werden ja immer mehr!"
"Herr Wachtmeister, hörnse? Maschinengewehr!"
Plötzlich ein Pfeifen, ein Knall, ein Krach.
Feuerschein überm Bahnhofsdach.
Aus dem Präsidium brüllt ein Mann:
"Der Krieg fängt an! Der Krieg fängt an!"
Schon werden die Fenster aufgerissen.
Die Leute schreien. Sie wollen was wissen.
"Was ist passiert?" Sirenenpfiff!
"Stettiner Bahnhof brennt! Gasangriff!"
Unheimliches Heulen, Donnern und Flammen,
Aus allen Straßen rennt es zusammen.
Ganz dicht überm Platz brüllt ein Propeller.
"Schnell in die Untergrund, in die Keller!"
Überall flammen die Explosionen.
Dazwischen donnern die Abwehrkanonen.
Aus seinem Wagen kreischt ein Chauffeur:
"Von den Linden kommt eine Wolke her!"
Die wimmelnden Menschen schreien und jammern.
Jeder will sich ans Auto klammern.
Sie treten sich tot. Entsetzliche Schreie.
"Fahren! Rennen! Ins Freie - ins Freie!"
Am Königstor schlägt eine Bombe ein.
Sie brüllen:" Nicht nach dem Friedrichshain!"
Über den Platz schreit ein Feuerwehrmann:
"Von der Königstraße kommt Gas heran!"
Sie wissen nicht mehr, wohin sie laufen.
Tausende rennen sich übern Haufen.
Die Wolke kommt, Tausende sinken um,
Wohin sie greift, da wird alles stumm.
Um Viertel nach viere ist tiefe Ruh.
Der graue Schwaden deckt alles zu.
Der Krieg fängt an! Der Krieg ist da!
Warum schreit denn kein Mensch hurra?
Erich Weinert, 1929
http://youtu.be/HRgDjXM_DAY
Eine Vision
Alexanderplatz. Windige Nacht. Halb vier.
Ein Schupo schlendert durch sein Revier.
"Na Kleiner, wie is denn!" - "Laß mich in Ruh!"
Die letzte Kneipe macht zu.
Ein Kutscher kommt aus dem Kaffeekeller.
In den Wolken singt ein Propeller,
Ganz leise, in weiter Ferne.
Ein Kutscher guckt in die Sterne.
"Herr Wachtmeister, det sind doch mehr!"
"I wo, das ist unser Luftverkehr!"
"Ick kenn doch det Jeräusch aus Flandern!"
"Sie haben recht. Jetzt hör´ ich die andern."
Ein Schupo lauscht. Das Surren nimmt zu.
Ein Mann bleibt stehen und sagt:"Nanu!
Was ist denn? Das werden ja immer mehr!"
"Herr Wachtmeister, hörnse? Maschinengewehr!"
Plötzlich ein Pfeifen, ein Knall, ein Krach.
Feuerschein überm Bahnhofsdach.
Aus dem Präsidium brüllt ein Mann:
"Der Krieg fängt an! Der Krieg fängt an!"
Schon werden die Fenster aufgerissen.
Die Leute schreien. Sie wollen was wissen.
"Was ist passiert?" Sirenenpfiff!
"Stettiner Bahnhof brennt! Gasangriff!"
Unheimliches Heulen, Donnern und Flammen,
Aus allen Straßen rennt es zusammen.
Ganz dicht überm Platz brüllt ein Propeller.
"Schnell in die Untergrund, in die Keller!"
Überall flammen die Explosionen.
Dazwischen donnern die Abwehrkanonen.
Aus seinem Wagen kreischt ein Chauffeur:
"Von den Linden kommt eine Wolke her!"
Die wimmelnden Menschen schreien und jammern.
Jeder will sich ans Auto klammern.
Sie treten sich tot. Entsetzliche Schreie.
"Fahren! Rennen! Ins Freie - ins Freie!"
Am Königstor schlägt eine Bombe ein.
Sie brüllen:" Nicht nach dem Friedrichshain!"
Über den Platz schreit ein Feuerwehrmann:
"Von der Königstraße kommt Gas heran!"
Sie wissen nicht mehr, wohin sie laufen.
Tausende rennen sich übern Haufen.
Die Wolke kommt, Tausende sinken um,
Wohin sie greift, da wird alles stumm.
Um Viertel nach viere ist tiefe Ruh.
Der graue Schwaden deckt alles zu.
Der Krieg fängt an! Der Krieg ist da!
Warum schreit denn kein Mensch hurra?
Erich Weinert, 1929
http://youtu.be/HRgDjXM_DAY
chrdylan - 5. Mär, 23:21