Alltägliche Ballade (Text: Erich Weinert, 1931) - Christoph Holzhöfer

Sonntag, 13. April 2014

Alltägliche Ballade (Text: Erich Weinert, 1931) - Christoph Holzhöfer

Alltägliche Ballade
(Erich Weinert, 1931)

Da wo die Danziger Straße beginnt,
An der Ecke der Pappelallee,
Stand Gustav Miethe mit Frau & Kind.
Sie blinzelten in den nassen Wind.
Es regnete auf das alte Spind
& das schäbige Kanapee.

Das Kindchen war schon ganz durchnässt.
& Gustav Miethe schrie los:
"Ihr Menschenschinder ! Verfluchte Pest !
Ihr Gesindel, habt mich ausgepresst !
Ihr Lumpen sitzt im trockenen Nest
In euren Wohlfahrtsbüros !"

& die vorbeigingen, blieben stehn,
& sahen das Elend an.
Erst waren es drei, dann waren es zehn,
& alle kamen & wollten es sehn.
Es blieben hundert & tausend stehn.
& alles drängte heran.

& Gustav Miethe schrie wie ein Stier,
Da bellte ein Hupensignal.
Das war der Flitzer vom nächsten Revier,
Drin stand der Herr Polizeioffizier.
Er überschrie sich: "Was ist das hier
Für ein unverschämter Skandal ?"

Er sprang herab. Einen Augenblick
War alles stumm wie ein Stein.
Der Tschako blitzte, sie wichen zurück.
Ein Schupo sprang über ein Möbelstück,
Schlug Gustav Miethe die Faust ins Genick.
Da fing das Kind an zu schrein.

Der Schrei war so entsetzenvoll.
Er klang wie ein Todesschrei.
Aus der Menge wuchs ein schwälender Groll.
Es schrie eine Stimme. Die Stimme schwoll.
Auf einmal schrien sie alle wie toll:
"Nieder die Polizei !"

Schon drängten sie sich zum Wagen vor,
Wie dampfende Lavaflut.
Mit blassen Lippe stand der Major:
"Straße frei ! Keinen Schritt weiter vor !"
Die Mannschaft riss die Pistolen empor.
Da hoben sich Fäuste der Wut.

& Gustav Miethe sprang wild aus den Reihn.
Da knallt es vom Wagen her.
Gustav Miehe brach in den Knien ein.
Die Menge floh mit entsetzten Schrei'n.
Der Flitzer fuhr knatternd hinterdrein.
& die Straße war menschenleer.

Da wo die Danziger Straße beginnt,
Am Mast von der Straßenbahn,
da liegt ein Toter im kalten Wind.
Da wimmern eine Frau & ein Kind.
& der Regen rinnt, & die Zeit verrinnt.
Sie wissen nicht, wo sie zu Hause sind.
Das ist eben "Schicksal", & Schicksal ist blind.
Der Staat hat sein Bestes getan.

http://youtu.be/0u3I3NeDJik

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